Tagung 2001

Filzen beruhigt ganze Klassen
Alte Kunst erlebt eine Renaissance

Kölner Stadt-Anzeiger - Nr. 136 - Freitag, 15. Juni 2001

Von Renate Hofmann

Altenberg - Stricken und Häkeln nach Vorlage? "Gott sei Dank, das ist vorbei!", seufzt
Ursula Grüllich. In den Handarbeitsunterricht sei vielmehr jede Menge frischer Wind
eingezogen. Und weil Textilien in der gesamten Bandbreite Thema geworden sind, hat
die Lehrerin und Vorsitzende des "Arbeitskreises Textilunterricht" die Jahrestagung
ihrer Vereinigung unter das Thema "Filzen" gestellt. Rund 200 Kolleginnen trafen sich
nun in der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg, um zu lernen, wie Schafwolle
verarbeitet wird.
"Filzen erlebt seit gut 20 Jahren in Europa eine Renaissance", erläutert Vorsitzende
Grüllich ihre Motive. Inzwischen spiele es sogar in Design und Mode eine große Rolle
und würde sogar bei der Fertigung von Polstermöbeln verwendet. Unschätzbare Vorteile
habe der Einsatz von Filz aber vor allem im Unterricht. Schüler seien stets fasziniert.
Alle, die es einmal ausprobiert hätten, seien begeistert.
"Das hat nicht diesen Handarbeitstouch", erklärt sich Ursula Grüllich den Erfolg des
Materials. "Laute Klassen werden ganz ruhig, wenn sie mit Filz arbeiten", ergänzt
Christa Blödorn, Sprecherin des Arbeitskreises, aus ihrer Erfahrung.
Eine ganze Reihe von Vorteilen schätzen die beiden Lehrerinnen: Jungen sind ebenso
begeistert wie Mädchen. Darüberhinaus wird ein künstlerischer Prozess angeregt,
denn das Material ist nicht vorgefertigt. Handpuppen können ebenso entstehen wie Hüte,
Tiere oder Taschen. In Altenberg hatten die Teinehmerinnen sogar einen Teppich in Arbeit.
Zudem sind die Zutaten erschwinglich. Neben Wolle, warmem Wasser und Seife bedarf
es nur noch einiger Geduld und etwas Fingerspitzengefühl.
" Das kann jeder", betonen Ursula Grüllich und Christa Blödorn denn auch. Und noch einen
weiteren positiven Aspekt betont das Duo. Filzen löse keine Allergien aus. Die
verwendete Olivenseife schone vielmehr die Haut. Wenn die Textillehrerinnen im Innenhof
von Haus Altenberg Plastiktütenüber die Hände ziehen, habe das nichts mit Empfindlichkeit
zu tun. Vielmehr solle dadurch der Filz glatter werden.

Während die Arbeitsatmosphäre sichtbar gut war, sind die allgemeinen Aussichten für das
Fach Textilgestaltung weniger rosig. "Nur durch unseren Einsatz ist das Fach wenigstens
an Real- und Hauptschulen erhalten geblieben",ergänzt die Vorsitzende. Zwar gebe es
Lehrpläne auch für Gymnasien und Grundschule, jedoch keine Lehrer, die sie unterrichten
könnten. Daran werde sich wohl auch künftig nichts ändern, vermuten die Vertreterinnen des
Arbeitskreises, denn die Zahl der Studenten gehe drastisch zurück. Erste Studiengänge
mussten inzwischen schon geschlossen werden.
Davon lassen sich die Arbeitskreis-Mitglieder allerdings nicht entmutigen. Statt dessen
werden Pläne für dieZukunft geschmiedet. Etwa zum Thema "fächerübergreifender Unterricht".
Im Repertoire ist da bereits ein Vorzeigeprojekt, das eine Gruppe der Tagungsteilnehmer
nachvollziehen. Unter den Augen des Zuschauers entstehen zwischen den Fingern der
Lehrerinnen erst eine Mohrrübe (zum Einüben), dann eine Fledermaus.
Zu den vom Aussterben bedrohten "Vampiren" hat Antje Mehring-Pütz ein ganzes Aktionspaket
parat. Hierzu gehört neben Informationen über die Tiere auch eine Nachtwanderung zu den
Schlafplätzen.

Filzen

Filzobjekt

 

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